Kulturgut
Denkmäler, Grabsteine, Nationalfeiertage,
Bücher, Computerspeicherungen.
Wir versuchen, das Jetzt ins Danach zu retten
und sagen dazu „Bewahrung des Kulturgutes“.
Aber das meiste, das geschieht,
verschwindet lautlos wie der Frühlingsduft,
der von den Autoabgasen geschluckt wird.
Wer nahm Notiz
von dem Kind, das nur drei Tage lebte,
von der Frau,
die ihren widerborstigen Mann
bis zum letzten Tag umsorgte,
von der Vergewaltigten,
die für immer ihre Würde verlor,
von dem Achtzehnjährigen, der ermordet wurde,
weil er angeblich der falschen Religion angehörte,
von dem unschuldig Gefangenen,
der täglich Folterqualen ertragen musste,
von dem unheilbar Kranken,
der lieber heute als morgen sterben wollte,
von dem Obdachlosen,
der ständig unterwegs war,
aber keinen Fuß auf die Erde bekam?
Sie – und Unzählige mehr –
zählen nicht zum Kulturgut.
Sind sie deshalb nicht der Erinnerung wert?
Die Liste der Kulturgüter
müsste dringend ergänzt werden.
Josef Butscher |
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