Gedicht des Monats August 2016

Kindheit

Wenn ich an meine Kindheit denke,
gehe ich auf der staubigen und
manchmal schlammigen Dorfstraße entlang,
streune am Bach herum,
verstecke mich im Kornfeld,
erkunde die Geheimnisse des nahen Waldes,
spiele und durchleide fast alle Arbeiten auf dem Felde,
höre der Lerche zu,
schlachte Hühner,
stehle Erdbeeren,
verwünsche die Schularbeiten,
rieche in der Nachbarschaft
Kuh-, Pferde- und Schweineställe
mitsamt Jauchegrube,
sitze auf der mit Linoleum benagelten Eckbank,
esse Pellkartoffeln mit Leinöl,
schlafe im eiskalten Zimmer,
spüre Vaters Handschlag,
der nicht von schlechten Eltern war,
und sehe Mutters Hände,
die mir immer zu knochig vorkamen,
aber mich sanft gestreichelt haben.

Fräulein Engelhardt, meine Lehrerin,
hat mich oft wegen meiner Malkünste gelobt.
Bilder verlassen mich nicht.
Ich versuche,
sie zu beschreiben, sie nachzumalen.
Nur eins will mir nicht gelingen:
Wie soll ich jemandem erklären,
wie Mamas Zuckerkuchen geschmeckt hat?

Josef Butscher

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