Gedichte zu verschiedenen Themen

Hunger

Wir reden ohne Scham mit prallen Bäuchen
über den Hunger in der Welt,
fertigen über diesen Sachverhalt Statistiken an,
und streiten uns darüber, ob die Zahlen
möglicherweise höher sind oder darunter liegen.

Wir erforschen ohne Scham die Ursachen
für den Hunger in der Welt
und finden tausend Bestätigungen
für die Richtigkeit unserer Aussagen.

Wir klagen ohne Scham, aber dafür
mit umso mehr Zorn, die Mächtigen an,
und schaukeln uns in den Hängematten
unserer privaten Hilflosigkeit.

Warum sind wir in unserer Mitschuld
so schamlos geworden?

Wir pflücken keine Feigenblätter mehr.
Was soll’s, wir sind wie wir sind.
An dem Hunger der Welt
lässt sich so schnell nichts ändern.

„Du hast noch nie Hunger gehabt“,
sagte mein Vater zu mir als ich noch Kind war
und mir wieder einmal das Essen nicht schmeckte.
Er hatte Recht.
Er wusste aus seiner KZ-Zeit, was Hunger ist.
Er kannte harte Zeiten, aber
hartherzig wurde er nicht.

Schamlos, herzlos werden? Nein!

Wer stillt den Hunger in der Welt?
Eines Tages wird es keine Hungerleider mehr geben.
Dann möchte ich dem begegnen, der zu mir sagt:
„Ich bin hungrig gewesen, und du hast mir zu essen gegeben.“

Eines Tages wird es keine Hungerleider mehr geben.
Der dann segnende, ist der heute noch hungernde Christus.

Josef Butscher

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